Künstliche Intelligenz – Maschinen mit Entscheidungsgewalt?

Wie KI in der Maschine Mehrwerte für Kunden schafft

Jens Ottnad, Leiter Vernetzte Systeme bei Trumpf Werkzeugmaschinen. (Bild: Trumpf)

Parallel dazu hatten die Trumpf-Entwickler jedoch auch schon begonnen, Daten zu sammeln und erste KI-Modelle zu bauen. „KI hat hier einen echten Unterschied gemacht. Mittlerweile haben wir schon die vierte Generation von Neuronalen Netzen im Einsatz, die auf den Daten von allen vorhergehenden Netzen und neu hinzukommenden Daten beruht“, so Ottnad. Indem möglichst alle vorhandenen Daten von allen Einsatzszenarien gesammelt werden, komme die nötige Hebelwirkung dazu.

Derzeit arbeitet man daran, individuelle Modelle für jeden Kunden zu trainieren. „Das ist an vielen Stellen komplexer, weil es schnell darum geht, zehn unterschiedliche Modelle pro Kunde zu managen. Dafür ist eine Infrastruktur für KI vor Ort notwendig“, erklärt der Experte. Für solche verteilten KI-Lösungen sei noch einmal ein ganz anderer Reifegrad erforderlich.

Künftig könnte dann mit dem sogenannten Smart-Factory-Host ein Edge-Computing-System in der Fabrik stehen, das die KI-Aufgaben erledigt, ohne dass sich die Kunden selbst damit auseinandersetzen müssen. Aus Ottnads Sicht bietet der Einsatz von KI jenseits der reinen Bildverarbeitung aber vor allem eine wichtige Chance für Maschinenbauer: besser zu verstehen, was ihre Kunden umtreibt und wo sie Herausforderungen oder Probleme im Alltag erleben. Aus den Daten wird deutlich, was aktuell an der Maschine passiert. Das ist die Basis, um neue, maßgeschneiderte Lösungen zu entwickeln.

Künstliche Intelligenz: Quo vadis deutscher Maschinenbau?

Der Maschinen- und Anlagenbau in Deutschland verfügt über beste Voraussetzungen, um mit KI-Software an die Weltspitze zu gelangen. Bislang mangelt es jedoch an Mut, Innovationsgeist und konsequenter Ausbildung.

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Laut einer aktuellen Bitkom-Studie halten zwei Drittel aller deutschen Unternehmen Künstliche Intelligenz (KI) für die wichtigste Zukunftstechnologie. Zudem heißt es oft, Deutschland müsse dringend Tempo machen, um wettbewerbsfähig gegenüber Amerika und China zu sein. Es wäre also zu erwarten, dass sich viel tut, nicht zuletzt im deutschen Maschinenbau. Wo, wenn nicht hier, wo man immer wieder von deutscher Ingenieurskunst spricht, sollte man Innovationsgeist erwarten? Doch das Gegenteil ist der Fall. Wie die gleiche Studie zeigt, nutzen bislang erst 8 % der Unternehmen KI-Anwendungen.

Empfehlung der Redaktion 2021 | OriginalPaper | Buchkapitel Grundlagen der Digitalisierung und Industrie 4.0 Die Idee von Automatisierung und Digitalisierung reicht geschichtlich sehr weit zurück: Ca. 60 v. Chr. konstruierte Heron von Alexandria einen Wagen, der eine vorgegebene Strecke abfahren konnte. Das Fuhrwerk wurde von einem Seil mit einem Gewicht angetrieben.

Gerade im Mittelstand scheint noch der Mut zu fehlen. Dabei können deutsche Hersteller von Produktionsmaschinen dank Industrie 4.0 aus einem weltweit einzigartig großen Reservoir an digitalen Maschinendaten sowie an Kunden- und Unternehmensdaten schöpfen. Auch die Roboterdichte in Deutschland ist hoch: Auf 10.000 Beschäftigte kommen 309 Industrieroboter. Nur in Südkorea und Singapur ist die Dichte noch höher. Fehlende Technologie ist also nicht der Grund, dass der Maschinenbau in Deutschland beim Thema KI Nachholbedarf hat. Selbst kleine und mittlere Unternehmen haben viele ihrer Maschinen mit Sensorik ausgestattet, die permanent Daten sammelt. Doch verwendet werden diese Daten noch selten im vollen Umfang. Hier hinkt die Branche den internationalen Techkonzernen hinterher, die genau wissen, welche Rolle Daten in Zukunft spielen werden.

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KI im Maschinen- und Anlagenbau richtig eingesetzt

Daten bilden die Grundlage für einen erfolgreichen Umgang mit KI. Um Lösungen zu bauen, die im industriellen Kontext Mehrwert stiften, bedarf es zwar fast immer deutlich mehr relevanter und klar strukturierter Daten als zunächst angenommen. Die Schritte für die Entwicklung von KI-Lösungen sind dann jedoch immer die gleichen: Ausreichende Datenmengen sammeln, aufbereiten und analysieren. Erkenntnisse aus der Datenanalyse sollten dann in Handlungsanweisungen übersetzt werden, etwa für optimierte Produktionsabläufe oder für eine verbesserte Interaktion zwischen Mensch und Maschine. Genau an diesem Punkt scheitert KI in der deutschen Industrie jedoch oft, denn es fehlt nicht nur Mut, sondern an einigen Stellen auch am Know-how im Umgang mit Daten.

In B2B-Anwendungen wie dem weltweiten Betrieb von Produktionsanlagen gehört die deutsche Industrie zur Weltspitze. Damit verfügt sie über einen Schatz an Talenten, der notwendig ist, um wertvolle KI-Produkte zu bauen. Zudem erfüllen Absolventen, die das exzellente deutsche MINT-Ausbildungssystem durchlaufen haben, die Voraussetzungen, um als KI-Experten zu arbeiten. Gezielt dafür ausgebildet werden sie aber immer noch nicht. Vor allem im Maschinen- und Anlagenbau müsste das aber geschehen. Noch fehlen Projektmanager mit der Fähigkeit, zu erkennen, wo sie in ihrer Domäne mittels KI wertstiftende Lösungen bauen könnten.

Deutschland als Silicon Valley für KI-Software

Der KI-Markt in Deutschland ist klein. Dennoch hat Deutschland das Potenzial, das Silicon Valley für KI-gestützte Softwareprodukte zu werden und so die Produktion der Zukunft zu transformieren. Dafür muss die deutsche Industrie ihren globalen Marktzugang nutzen, um schnell die größten Datenpools zu erzeugen; gerade vor dem Hintergrund der strengen EU-weiten Regeln für den Einsatz von KI, die gerade erarbeitet werden. Die deutlich größeren Märkte in den USA und China mit ihren einheitlicheren Rechtsräume können bislang schneller agieren. Zudem sind sie im Sammeln, Lagern und Analysieren von Daten bereits einige Schritte voraus.

Noch stammen Tools und Softwareprodukte meist von global agierenden US-Unternehmen wie Amazon oder Microsoft. Mit den richtigen Talenten, Innovationsgeist und Mut kann sich jedoch auch KI made in Germany durchsetzen. Wenn statt 8 künftig 80 % der deutschen Unternehmen KI nutzen, könnte der Maschinen- und Anlagenbau zum internationalen Pulsgeber für KI-Entwicklung aufstreben. Ohne KI hingegen schrumpft der Wettbewerbsvorteile der deutschen Ingenieurskunst auf lange Sicht dahin.

Künstliche Intelligenz – Maschinen mit Entscheidungsgewalt?

Künstliche Intelligenz ist kein Garant für Erfolg

KI ist in einigen Bereichen bereits weit fortgeschritten, in vielen anderen erst in den Anfängen. Dass diese Entwicklung unsere Welt verändern wird, scheint gewiss, doch in welche Richtung, das ist noch weitgehend offen. So bergen diese Entwicklungen enormes Potenzial, etwa um Prozesse zu automatisieren und zu optimieren. KI-basierte Systeme können bereits heute als Entscheidungshilfe bei komplexen Problemstellungen dienen, z.B. in der Medizin und im Energiebereich bis hin zu den Geowissenschaften, um Wetterphänomene oder Erdbeben zu prognostizieren.

Dem Potenzial stehen aber auch zahlreiche Problemfelder und wichtige ethische Fragen gegenüber, darunter steigende technologische Abhängigkeiten, mangelnde Transparenz und Überprüfbarkeit der Technologie sowie zahlreiche Risiken für Sicherheit, Privatsphäre und die menschliche Autonomie. Denn nicht überall, wo KI drin steckt, sind Prozesse deswegen automatisch effizienter oder besser. Im Gegenteil kann es je nach Anwendungsbereich sogar zu erhöhter Fehleranfälligkeit, ineffizienten Abläufen und damit verbundenen Problemen kommen. Maschinen besitzen keine Intuition, sie arbeiten mit Wahrscheinlichkeiten − das kann zu Spannungen bei der Interaktion zwischen Mensch und Maschine führen.

Auch scheinbar effiziente KI birgt enorme Risiken: Insbesondere das Verschärfen sozialer Ungleichheit durch diskriminierende Algorithmen oder Gefahren durch den Missbrauch von KI-Systemen wie etwa Bots zur Manipulation sind dabei ernst zu nehmende Problemfelder. Hinzu kommt, dass diese Systeme meist „Black Box“-Charakter haben, also sehr undurchsichtig in ihrem Aufbau und ihrer Funktionsweise sind. Einbettete Algorithmen mit Selbstoptimierungsmöglichkeit machen sie noch schwerer überprüfbar als das bereits heute der Fall ist.

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