Die Zukunft des Maschinenbaus / Vier Szenarien zeigen, wie die europäischen ...

Der Maschinenbau hat seine Zukunft (noch) selbst in der Hand

Die Zukunft des Maschinenbaus im Zeitalter der Digitalisierung ist noch offen. Wird es die Branche schaffen, ihre Eigenständigkeit zu erhalten oder werden Tech-Konzerne die Führung übernehmen? Noch stehen die Chancen für die Branche gut, die Möglichkeiten der Digitalisierung für sich zu nutzen.

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Im Mai 2021 veröffentlichte das Beratungsunternehmen Deloitte eine Studie mit dem Titel "Wachstumsmotor Maschinenbau". Darin werden vier Szenarien für den Maschinenbau vorgestellt, die allesamt mögliche Entwicklungen für die Branche in der DACH-Region darstellen können. Die Digitalisierung spielt dabei in jeder der Varianten eine entscheidende Rolle.

So schaffen es die Tech-Unternehmen im ersten Szenario nur langsam, in das Industriegeschäft einzusteigen, die europäischen Maschinenbauer sind aber weiterhin gezwungen, ihren Vorsprung durch kontinuierliche Innovation zu sichern. Hierbei stellt sich die Situation für die Maschinenbauunternehmen fragil dar. Im zweiten Szenario haben die europäischen Maschinenbauer ihre Produktion aus einer Position der Stärke heraus digitalisiert, modularisiert und standardisiert; mit flexiblen Geschäftsmodellen lassen sie die Konkurrenz aus Asien ebenso wie die Plattformanbieter hinter sich.

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Empfehlung der Redaktion 2021 | Buch Monetarisierung von technischen Daten Innovationen aus Industrie und Forschung Die Monetarisierung von Daten ist per se ein sehr junges Thema, zu dem es nur sehr vereinzelt Fallbeispiele gibt. Es fehlt an einer Strategie bzw. einem Konzept, das Führungskräften den Weg in die Monetarisierung von Daten zeigt, insbesondere jenen, die die Digitale Transformation bzw. Industrie 4.0 für sich entdeckt haben oder davon bedroht sind.

In der dritten ermittelten Variante stellt sich die Situation für die Branche dann gänzlich anders dar: In dieser Zukunft haben die Tech-Unternehmen die Branche erheblich verändert, Software- und Plattformanbieter haben ihre Vision der Zukunft umgesetzt. Wie im zweiten Szenario wurden die Maschinen auch hier digitalisiert, modularisiert und standardisiert, doch ihre Effektivität und Spezialisierung hängt nun von der Software ab. Die europäischen Maschinenbauer haben ihre Gestaltungskraft verloren und sind zu austauschbaren Zulieferern von mechanischen Komponenten geworden, die in starker Konkurrenz zu ihren weltweiten Wettbewerbern stehen.

Gefahr der Abhängigkeit von Software- und Plattformanbietern

Und auch das vierte Szenario fällt nicht zum Vorteil der Maschinenbauer aus, auch wenn die Branche darin weiterhin erfolgreich ist. Doch die technologische Vorreiterrolle und wesentliche Bereiche der Wertschöpfung übernehmen darin Software- und Industrieservice-Anbieter sowie Finanzdienstleister. Der Maschinenbau wird hingegen durch fortgeschrittene Servicemodelle bestimmt, die europäischen Hersteller befinden sich in der Rolle von Lieferanten, die eine von anderen spezifizierte Maschine zu optimierten Kosten anzubieten haben. Die Abhängigkeit von Software- und Plattformanbietern ist groß, ein profitables Geschäft ist nur noch als Teil des Ökosystems eines großen Software-Unternehmens möglich. Der direkte Zugang zum Kunden und zu den Maschinendaten liegt nun nicht mehr in der Hand der Maschinenbauer.

Aus allen vier Szenarien ziehen die Unternehmensberater den Schluss, dass die europäischen Maschinenbauer mit Blick auf den Umsatz erfolgreich sein können. Doch in den zwei zuletzt vorgestellten Perspektiven verlieren sie den Gestaltungsspielraum. So rät Oliver Bendig, Partner und Sektor Lead Maschinenbau bei Deloitte: "Sie sind gut beraten, ihre Attraktivität für die entscheidenden Talente zu steigern sowie durch umfassende Digitalisierung und Konsolidierung ihre Effizienz zu erhöhen. All dies kann man nicht alleine stemmen, das Denken in Netzwerken ist jetzt entscheidend, wenn wir morgen die Zukunft gestalten wollen."

Alles wird zum Service. Oder: XaaS

Wie eine Zukunft aussehen könnte, in der die Maschinenbauer nicht nur zu Dienstleistern werden, sondern in der auch alle Prozesse in einer Werkhalle als einzelne Services verstanden werden können, wird im Großforschungsprojekt „X-Forge“ von Wissenschaftlern und Industrievertretern untersucht. Ausgehend von der Vision eines Digitalen Ökosystems, wollen die Fachleute klären, welche Daten für ein sogenanntes Everything as a Service (XaaS)-Modell erhoben und ausgetauscht werden müssen und wie dieser Datentransfer technisch umsetzbar ist. In einem solchen Modell tauschen sämtliche Akteure automatisch Daten aus, was neue, datenbasierte Geschäftsmodelle zur Folge haben kann.

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Im Blick steht dabei zum Beispiel das Pay per Use-Modell, bei dem die Hersteller Eigentümer der Maschinen bleiben und die Kunden für deren Nutzung zahlen. Hierbei ist beispielsweise zu klären, wie Rechnungen, Bezahl- und Wartungsvorgänge automatisiert ausgelöst werden können. Im Segment der Lohnfertiger und Zulieferbetriebe mit metallischer Bearbeitung wird ebenfalls an einem nutzungsbasierten Geschäftsmodell geforscht. So sollen Lohnfertiger und Zulieferer zukünftig keine teuren Maschinen mehr anschaffen müssen, stattdessen aber für ein aus Werkzeugmaschine, Zerspanungswerkzeug und IT-Diensten bestehendes Paket bezahlen. Letztere sollen neben automatisiert ausgelösten Bezahl- und Wartungsvorgängen auch aus intelligenten Algorithmen bestehen, die selbstständig in den Zerspanprozess eingreifen und die Prozessparameter im laufenden Betrieb verbessern. Übermäßiger Verschleiß und Schäden an Bauteilen sollen so vermieden werden.

Um Optimierungspotenziale für die eigenen Produkte oder Herstellungsprozesse zu erkennen und umzusetzen, werden im Konsortialprojekt "Product Life Cycle Enrichment as a Service" (PLCEaaS) sämtliche Daten von Maschinen gesammelt – vergleichbar mit einer digitalen Akte. Mit diesem Ansatz werde über eine Predictive Maintenance hinausgegangen, heißt es vonseiten der Projektpartner. Auch Daten zu einem ressourcenschonenderem Umgang und zu einer Steigerung der Produktqualität ließen sich so generieren.

Und im Konsortialprojekt "Smart Factory as a Service" entwickeln die Projektpartner einen Ende-zu-Ende-Prozess in einem produzierenden Unternehmen – von der Bestellung über die Fertigung bis zur Auslieferung und Bezahlung. All das, was in einer Werkhalle geschieht, wird dabei in einzelne buchbare Services externer Anbieter aufgeteilt. Dieser Ansatz werde durch die Digitalisierung überhaupt erst möglich, heißt es. Um das Thema "Smart Factory as a Service" geht es auch im Kapitel "Weiterentwicklungen des Produktionsmanagements" im Springer-Fachbuch "Ganzheitliches Produktionsmanagement".

Wie sich Daten zu Geschäftsmodellen für Maschinenbauunternehmen machen lassen, ist zudem Inhalt des Springer-Fachbuchs "Monetarisierung von technischen Daten". Im darin enthalten Kapitel "Monetarisierung von Daten am Beispiel von Fertigungsmaschinen" werden zum Beispiel Use Cases zum Handeln von Maschinendaten, zu datengetriebenen Assistenzsystemen und zur Transformation von Geschäftsmodellen beschrieben. Im Fazit zu dem Kapitel heißt es schließlich: „Datenmonetarisierung birgt ein großes Potenzial, die eigenen Prozesse als auch die der Kunden zu verbessern. Unternehmen erzielen schnell monetäre Mehrwerte, wenn sie unkritische Daten, zum Verkauf anbieten, die externe Lieferanten oder Zulieferer befähigen, ihre Produkte zu optimieren bzw. maßzuschneidern."

Zudem sollten aber auch Daten von Dritten, zum Beispiel Kunden, Lieferanten oder Zulieferern, eingekauft werden, um die eigenen Prozesse zu verbessern, schreibt Daniel Trauth weiter. Und "letztlich sollten sich die Unternehmen fragen, welche Kundenprobleme sie mit ihren eigenen Daten lösen können". Hier würden wichtige Erkenntnisse aus dem Handel der Daten helfen, um zu verstehen, welche Probleme und Nutzen ein Kunde haben könnte. "Werden dann die eigenen Daten, durch Aggregation mit Daten, die extern erworben wurden, zu einem skalierbaren Service, einer App oder eines Algorithmus entwickelt, steht dem anbietenden Unternehmen eine exponentielle Einnahmequelle bevor", so Trauth.

Doch um an diesen Punkt zu kommen, brauche es noch Zeit, schreibt er zu Beginn des Kapitels, dafür sei ein Wandel des klassischen Wertesystems notwendig: "Denn Digitalisierung ist nicht nur eine Investition in besser, schneller, billiger, sondern eine Beschreibung eines neuen, digitalen Wertesystems, für das Unternehmen ein neues Werteversprechen und ein anderes Führungsverständnis brauchen."

Maschinenbau: Zukunft in einer digitalisierten Welt

Diesen Nutzen gilt es, stärker in den Fokus der strategischen Ausrichtung und Produktentwicklung zu stellen. Denn nur so kann man den immer individueller und komplexer werdenden Kundenanforderungen gerecht werden. Ziel ist es, gewinnbringend mit Daten umzugehen: Für eine zielgenaue Kundenansprache, effizientere Prozesse und die Entwicklung neuer Produkte und Services.

Seien es die gewonnenen Daten aus IoT-fähigen Maschinen und Anlagen, die messbaren und integrierten Kontaktpunkten entlang der Customer Journey oder jegliche Art der Interaktion zwischen Unternehmen und Kunden. Es gilt, Erkenntnisse abzuleiten und neue verwendbare Informationen zu generieren. Diese liefern eine gute Basis, um die richtigen Rückschlüsse zu ziehen und Kundenerlebnisse und Produkte zu verbessern. Außerdem unterstützen die gewonnenen Daten dabei, Innovationen voranzutreiben und die eigene Wertschöpfungskette zu optimieren. Auch für Kunden können sie von großer Bedeutung sein. Bieten Maschinen- und Anlagenbauer ihre Produkte in einer sinnvollen Kombination mit datengetriebenen Use Cases an, könnte es ein zentraler Faktor zur Differenzierung vom Wettbewerb sein.

Die Zukunft des Maschinenbaus / Vier Szenarien zeigen, wie die europäischen ...

Deloitte

Die Zukunft des Maschinenbaus

Vier Szenarien zeigen, wie die europäischen Maschinenbauer künftigen Herausforderungen begegnen können

München (ots)

Präzision ist ein hohes Gut im Maschinenbau, doch bei der Einschätzung künftiger Entwicklungen ist sie eher hinderlich. In einer aktuellen Szenario-Analyse zeigt Deloitte vier mögliche Entwicklungen der Branche bis 2030 auf. "Angesichts der digitalen und technologischen Transformation sind Aussagen über die Zukunft schwieriger denn je; der Blick nach vorne ist aber auch notwendiger denn je", sagt Oliver Bendig, Partner und Sektor Lead Maschinenbau bei Deloitte. "Mit der vorliegenden Szenario-Analyse nähern wir uns der Zukunft des Maschinenbaus in den deutschsprachigen Ländern bis 2030 an."

Dafür wurden auf der Grundlage der öffentlichen Berichterstattung von Dezember 2019 bis Dezember 2020 sowie auf Basis von qualitativen Experten-Interviews 91 Treiber identifiziert, die die Zukunft des Maschinenbaus wesentlich beeinflussen. Rund ein Drittel dieser Treiber tritt mit hoher Wahrscheinlichkeit ein und wird einen großen Einfluss auf die Branche haben; als kritische Unsicherheiten bilden sie die Grundlage der vier Szenarien. Um eine möglichst breite und diverse Darstellung der künftigen Szenarien sicherzustellen, wurden hierfür Treiber in Betracht gezogen, die voneinander unabhängig sind.

Szenario A - Ein fragiles Paradies

In dieser Fortschreibung der aktuellen Situation besetzen die Maschinenbauer auch im Jahr 2030 mit ihren spezialisierten und kundenspezifischen Maschinen attraktive Nischen. Ein offener Welthandel und ein stabiler EU-Wirtschaftsraum helfen ihnen, die Konkurrenz aus Asien, die durch steigende Gehälter gebremst wird, weiter hinter sich zu lassen. Die Tech-Unternehmen schaffen es nur langsam, in das Industriegeschäft einzusteigen. In dieser Position sind die europäischen Maschinenbauer weiterhin in der Lage, die nötigen Talente anzuziehen. Dennoch ist die Situation fragil. Denn die Herausforderungen aus dem Jahr 2021 bleiben erhalten und die europäischen Maschinenbauer sind weiterhin gezwungen, ihren Vorsprung durch kontinuierliche Innovation zu sichern.

Szenario B - Erfolg durch Wandel

Die europäischen Maschinenbauer haben ihre Produktion aus einer Position der Stärke heraus digitalisiert, modularisiert und standardisiert. Mit flexiblen Geschäftsmodellen haben sie die Konkurrenz aus Asien ebenso wie die Plattformanbieter hinter sich gelassen. Doch der hohe Grad der Automatisierung führt zu einem neuen Bedarf an geringer qualifizierten Mitarbeitern. Der Erfolg der Branche muss durch attraktive Preise gesichert werden, die Gehälter und Strukturen der europäischen Unternehmen geraten unter erheblichen Kostendruck.

Szenario C - Das verlorene Paradies

In dieser Zukunft haben die Tech-Unternehmen die Branche erheblich verändert, Software- und Plattformanbieter haben ihre Vision der Zukunft umgesetzt. Wie in Szenario B wurden die Maschinen auch hier digitalisiert, modularisiert und standardisiert, doch ihre Effektivität und Spezialisierung hängt nun von der Software ab. Die europäischen Maschinenbauer haben ihre Gestaltungskraft verloren und sind zu austauschbaren Zulieferern von mechanischen Komponenten geworden, die in starker Konkurrenz zu ihren weltweiten Wettbewerbern stehen. Qualifizierter Ingenieursnachwuchs ist schwer zu finden, da sich immer mehr Arbeitnehmer in Richtung Asien und USA orientieren.

Szenario D - Abhängig vom System

Der Maschinenbau ist zwar weiterhin erfolgreich, doch die technologische Vorreiterrolle und wesentliche Bereiche der Wertschöpfung haben Software- und Industrieservice-Anbieter sowie Finanzdienstleister übernommen. Der Maschinenbau wird durch fortgeschrittene Servicemodelle bestimmt. Die europäischen Hersteller befinden sich in der Rolle von Lieferanten, die eine von anderen spezifizierte Maschine zu optimierten Kosten anbieten müssen. Die Abhängigkeit von Software- und Plattformanbietern ist groß, ein profitables Geschäft ist nur noch als Teil des Ökosystems eines großen Software-Unternehmens möglich. Der direkte Zugang zum Kunden und zu den Maschinendaten liegt nun nicht mehr in der Hand der Maschinenbauer. Um in diesem Szenario Bestand zu haben im Wettbewerb mit den Tech-Firmen müssen sich die Vorreiter des Maschinenbau-Sektors früh in einem europäischen Verbund zusammenschließen.

Maßnahmen für die Zukunft

"Die verschiedenen Szenarien zeigen sehr deutlich wie wichtig es ist, bereits heute das Maschinenbau-Ökosystem mitzugestalten - bevor man selbst dadurch umgestaltet wird", sagt Thomas M. Döbler, Partner und Industry Lead Energy, Resources & Industrials bei Deloitte. Mit Blick auf ihren Umsatz können die europäischen Maschinenbauer in allen vier Szenarien erfolgreich sein. Denn der europäische Maschinenbau wird weiterhin entscheidend sein für die Weltwirtschaft. "Die europäischen Hersteller verlieren in den Szenarien C und D jedoch merklich ihren Gestaltungsspielraum", warnt Bendig. "Sie sind gut beraten, ihre Attraktivität für die entscheidenden Talente zu steigern sowie durch umfassende Digitalisierung und Konsolidierung ihre Effizienz zu erhöhen. All dies kann man nicht alleine stemmen, das Denken in Netzwerken ist jetzt entscheidend, wenn wir morgen die Zukunft gestalten wollen."

Hier geht's zur Studie: Maschinenbau 2030: 4 Szenarien | Deloitte Deutschland

Über Deloitte

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Deloitte bezieht sich auf Deloitte Touche Tohmatsu Limited ("DTTL"), ihr weltweites Netzwerk von Mitgliedsunternehmen und ihre verbundenen Unternehmen (zusammen die "Deloitte-Organisation"). DTTL (auch "Deloitte Global" genannt) und jedes ihrer Mitgliedsunternehmen sowie ihre verbundenen Unternehmen sind rechtlich selbstständige und unabhängige Unternehmen, die sich gegenüber Dritten nicht gegenseitig verpflichten oder binden können. DTTL, jedes DTTL-Mitgliedsunternehmen und verbundene Unternehmen haften nur für ihre eigenen Handlungen und Unterlassungen und nicht für die der anderen. DTTL erbringt selbst keine Leistungen gegenüber Mandanten. Weitere Informationen finden Sie unter

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